Heute lernt ihr Maike kennen – Gärtnerin unseres Farm-Teams auf unserer Tiny Farm in Brandenburg. Mit Begeisterung und Fachwissen setzt sie nachhaltige Anbaumethoden um und begleitet die Teilnehmenden der Tiny Farms Academy auf ihrem Weg in den biointensiven Gemüseanbau.
In unserem Gespräch erzählt sie, warum sie sich für die Tiny Farms Academy entschieden hat, welche Chancen und Herausforderungen das Gärtnern auf sandigen Böden mit sich bringt und warum sie es liebt, Tomaten und Kohlsorten anzubauen.

1. Maike, wie bist du zur Tiny Farms Academy und zum Standort Brandenburg gekommen? Was hat dich inspiriert, Teil des Projekts zu werden?
Eine Freundin hat mir von der Tiny Farms Academy erzählt, und das hat sofort mein Interesse geweckt. Ich habe mich dann intensiver auf der Website umgeschaut und war besonders von dem Bildungsprogramm begeistert. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits als Gemüsegärtnerin tätig, aber ich hatte noch keine Lehrerfahrung. Die Möglichkeit, mein Wissen weiterzugeben und gleichzeitig etwas Neues zu lernen, fand ich unglaublich spannend. Zunächst war es für mich natürlich auch wichtig, einen Job zu finden, aber im Laufe der Zeit ist mir immer mehr klar geworden, wie sehr ich mit der Mission und den Werten von Tiny Farms verbunden bin. Unser Bildungsansatz hat mich wirklich überzeugt, und ich bin heute sehr stolz darauf, Teil des Projekts zu sein und das Programm mitzugestalten.
Was den Standort Brandenburg betrifft, ist es für mich persönlich ideal, da ich in Berlin lebe und die Nähe zur Stadt es mir ermöglicht, schnell vor Ort zu sein und die Arbeit hier aktiv mitzugestalten. Die ruhige Umgebung von Brandenburg bietet mir den perfekten Ausgleich zum hektischen Berlin – und macht die Arbeit hier umso erfüllender.
2. Brandenburg ist bekannt für seine sandigen Böden, aber auch für seine Vielfalt an Natur und Landwirtschaft. Wie beeinflusst das die Arbeit auf der Tiny Farm? Welche Chancen und Herausforderungen bietet die Region für nachhaltige Projekte?
Sandige Böden haben durchaus Vorteile. Sie sind reaktiver, wärmen sich schneller auf und sind besser durchlüftet. Dadurch können wir flexibler arbeiten, da sie schneller abtrocknen als schwere, lehmige Böden. Das macht die Arbeit für mich persönlich angenehmer – wir sind weniger vom Wetter abhängig und können schneller reagieren als auf schweren Böden. Der Nachteil ist, dass es schwieriger ist, Humus aufzubauen und damit Nährstoffe und Wasser zu binden. Die Art der Bodenbearbeitung und des gesamten Anbausystems spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Unser Ziel ist es daher, durch bodenschonende Bewirtschaftungsmaßnahmen den Humusgehalt im Boden zu erhöhen.
Unser direkter Nachbar und Verpächter der Flächen ist ein Demeter-Bauer. Bei seinen regelmäßigen Besuchen nimmt er sich Zeit für einen kurzen Schnack mit uns. Diese Gespräche vermitteln jedes Mal ein wunderbares Gefühl der Verbundenheit. Auch wenn er auf riesigen Feldern arbeitet, verfolgen wir dasselbe Ziel: die Produktion gesunder, nachhaltiger Lebensmittel. Unser kleiner Market Garden und seine großen Felder zeigen zwei unterschiedliche Ansätze – der großflächige Ackerbau eignet sich zum Beispiel besonders für den Getreideanbau. Beide Methoden haben ihre Berechtigung.
Ein weiterer Vorteil der Region ist die Nähe zu anderen Landwirten, die uns direkt unterstützen können. So erhalten wir beispielsweise Pferdemist aus der Umgebung, was für uns eine wertvolle Ressource ist.
In unserem Fall hat die Nähe zu Berlin Vorteile: Stadtbewohner können uns besuchen, an unseren Programmen teilnehmen und mit uns zusammenarbeiten. Im Laufe des Jahres haben wir viele freiwillige Praktikant:innen, die aus der Stadt zu uns kommen und durch ihre Arbeit wertvolle Impulse mitbringen. Diese Transparenz wird von interessierten Menschen sehr geschätzt.
Wir streben einen ganzheitlichen Gemüseanbau an und möchten ein vielfältiges Ökosystem schaffen. Die Bedingungen sind dafür hervorragend: Unsere Baumreihen dienen als Landeplätze für Vögel, während Hecken, Steinhaufen und ein kleiner Teich Lebensräume für Wildtiere und Insekten bieten. Um die Artenvielfalt weiter zu fördern, haben wir im letzten Jahr den Visselhöveder Nützlingsstreifen angelegt, der zusätzlichen Lebensraum für Insekten schafft.
Natürlich stehen wir auch vor Herausforderungen. Eine davon ist der geringe Niederschlag in unserer Region, besonders während trockener Jahre. In solchen Zeiten greifen wir auf Brunnenwasser zurück, um unsere Beete ausreichend zu bewässern. Dafür setzen wir ein intelligentes System ein, das die Bewässerung an den tatsächlichen Niederschlag anpasst – so können wir die wertvolle Ressource Wasser effizienter nutzen.en.

3. Nachhaltigkeit spielt bei Tiny Farms eine zentrale Rolle. Wie setzt ihr diese Vision in Brandenburg konkret um?
Beim Market Gardening setzen wir auf körperliche Arbeit statt auf große Maschinen. Diese Entscheidung hat gleich mehrere Vorteile: Wir sparen Kraftstoff, bleiben selbst fit und verhindern, dass der Boden durch schwere Maschinen verdichtet wird. Das hilft uns, die Bodenstruktur zu erhalten und eine gesunde Grundlage für unsere Kulturen zu schaffen.
Ein weiteres wichtiges Prinzip in unserer Arbeit ist das No-Till-Verfahren, das wir teilweise anwenden. Hierbei bearbeiten wir den Boden nur sehr flach, um das Mikrobiom im Boden nicht unnötig zu stören. In einigen Bereichen nutzen wir einen Einachsschlepper, dessen Anbaugeräte wir in der Arbeitstiefe sehr präzise einstellen können. Diese Methoden sorgen dafür, dass das Leben im Boden weniger beeinträchtigt wird, was uns langfristig zugutekommt.
Zusätzlich setzen wir auf Gründüngung, was dazu beiträgt, die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und die Biodiversität zu fördern. Obwohl ich den Einsatz von Gründüngung gerne noch weiter erhöhen möchte, haben wir schon jetzt gute Erfahrungen damit gemacht. In den Flächen von späten Kulturen decken wir den Boden über den Winter mit Silofolie ab, um ihn vor Erosion zu schützen. Natürlich ist der Einsatz von Silofolie nicht unumstritten, was ich durchaus nachvollziehen kann. Doch wenn wir im Frühjahr die Folie abnehmen, sind wir jedes Mal beeindruckt, wie viele Regenwurmlösungen und Regenwürmer sich darunter angesammelt haben – ein klares Zeichen, dass die Bodenqualität hier nicht leidet.
Was den Pflanzenschutz betrifft, so verzichten wir bewusst auf Herbizide und Pestizide. Stattdessen setzen wir auf mechanische Methoden zur Regulierung von Schaderregern und arbeiten daran, ein Ökosystem aufzubauen, dass die tierischen Gegenspieler in Balance hält.
Natürlich ist noch nicht alles perfekt, und wir sind uns bewusst, dass wir in vielen Bereichen noch Verbesserungspotential haben. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung des Wassers, mit dem wir unser Gemüse reinigen. Aktuell suchen wir nach einer Lösung, um dieses Wasser sinnvoll weiterzuverwenden. Es ist ein stetiger Prozess, in dem wir weiterhin dazulernen und immer neue Wege finden, unsere Arbeit noch nachhaltiger zu gestalten. Aber genau das macht die Arbeit ja so vielfältig und spannend.
4. Du begleitest Teilnehmende durch ihre Lernreise. Was möchtest du ihnen besonders mitgeben?
Mir ist es immer wichtiger geworden, den Menschen die Prinzipien und nicht einen bestimmten Weg mitzugeben. Wenn sie verstehen, worauf es ankommt, kann jede Person dies auf ihren persönlichen Kontext anwenden. Wir haben Teilnehmende, die ihr Hobby weiter ausbauen möchten und gegebenenfalls nur bestimmte Handgeräte zu Hause haben. Andere möchten sich selbstständig machen und stehen vor der Entscheidung, in welche Geräte und Maschinen sie investieren möchten. Sobald die Grundprinzipien verstanden sind, kann jede Person diese an ihre eigene Situation anpassen.
Was ich mitgeben möchte: Die Besuche anderer Farmen haben mir sehr weitergeholfen – es ist jedes Mal inspirierend, neue Farmen kennenzulernen und zu sehen, auf welche Ideen die Gärtnerinnen und Gärtner gekommen sind. Und: Einfach machen! Werdet aktiv und experimentiert. Dabei entstehen oft neue Ideen, Handgriffe entwickeln und verfeinern sich.
5. Was bedeutet dir Landwirtschaft – und welches Gemüse baust du am liebsten an?
Ich folge der Philosophie: Gesunde Böden, gesunde Pflanzen, gesunde Menschen. Ohne funktionierende Landwirtschaft gibt es keine Lebensmittel, und Landwirtschaft ist die Grundlage unserer Ernährung. Besonders in den Städten sind viele Menschen von der tatsächlichen Produktion entkoppelt. Viele Kinder kennen Gemüse nur aus dem Supermarkt, aber sie wissen oft nicht, wie es wächst. Wir brauchen dringend mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft, wenn wir eine Veränderung herbeiführen wollen. Es geht nicht nur darum, genug zu essen, sondern auch darum, nährstoffreiche Lebensmittel zu produzieren, die uns gesund erhalten. Und wir brauchen mehr Vielfalt in der Landwirtschaft, um die biologische Vielfalt der Natur zu schützen und zu erhalten.
Für mich persönlich bedeutet Landwirtschaft zwei Dinge: Sie ist einerseits der wunderbarste Arbeitsplatz, den ich mir vorstellen kann – der Kontakt zur Natur und die tägliche Arbeit auf dem Feld sind für mich eine echte Erfüllung. Andererseits ist sie die Grundlage unserer Ernährung, die wir mehr respektieren sollten.
Was den Anbau angeht, bereitet mir besonders die Pflege der Kulturen große Freude. Ich baue sehr gerne pflegeintensive Kulturen wie Tomaten und Gurken an, weil sie viel Aufmerksamkeit und Zuwendung erfordern. Aber auch im Freiland liebe ich es, mit den Kohlsorten zu arbeiten. Sie sind robust und vielseitig, und es ist immer spannend, sie im Verlauf der Saison zu beobachten und zu pflegen.
Fotos: Carla Ulrich
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